Man nennt es auch KoKonsum (kurz für kollaborativen Konsum) und gibt damit einer eigentlich herkömmlichen Handelsweise nur einen trendig klingenden Namen. Denn teilen, tauschen, leihen und schenken gehören seit jeher zu gepflegten Beziehungen in unserer Gesellschaft, lange bevor es Währungen und Aktien gab. Warum das Thema aber gerade jetzt wieder aktuell ist und was sich verändert hat, zeigt sich an Hand diverser Plattformen, die eigens ins Leben gerufen wurden, um das Miteinander wieder zu beleben. Im ersten Teil unserer Beitragsreihe Sharing Economy möchten wir speziell die immateriellen Angebote beleuchten, sprich wie man Zeit teilt, Meinungen, Erfahrungen aber auch Fähigkeiten.
Zeittauschringe
Zeit ist kostbar und jeder sollte sich die seine gut einteilen, für Geschäftliches wie auch Privates. Doch nicht immer reicht das eigene Know-How, um eine Aufgabe zügig zu bewältigen. Jemand, der mehr Ahnung davon hat, wäre garantiert schneller. Und so entstand die Idee der Zeittauschringe letztlich als eine Form der Aufgabenteilung. Der eine hilft beim Computer, der andere beim Malern. Die Fähigkeiten werden unentgeltlich angeboten und auf den entsprechenden Plattformen über eine Art Zeitkonto verwaltet, wobei jede Tätigkeit einen gewissen Wert einnimmt. So lassen sich die einzelnen Angebote vergleichen und relativ gerecht tauschen. Ziel ist es, dabei Geld und Zeit zu sparen, gleichzeitig lernt man neue Leute kennen und kann sich weiterempfehlen lassen. Tauschringe wie ExchangeMe achten deshalb auf regionale Übereinstimmungen und auf ein transparentes Profil der Teilnehmer. Man kann nicht immer einen Profi zur hauseigenen Renovierung erwarten, aber grundlegende Kenntnisse sowie ein fähiger Umgang damit sollten durchaus gegeben sein. Im Gegenzug bringt man den Nachbarskindern das Gitarre spielen bei oder hilft bei den Hausaufgaben. Auch die Zeit zum Einkaufen, Hund ausführen, Garten pflegen und Reparaturen erledigen kann so vielfältig organisiert werden.
Speziell bei diesem Portal ist die Teilnahme kostenlos und auf der Seite, die seit 2005 online ist, herrscht immerhin ein reges Angebot in allen Kategorien: vom Kochkurs über Personal Coaching bis hin zur professionellen Beratung. Vergleichbare Konzepte finden sich auf www.tauschringadressen.de
Co-Living
Das Prinzip einer WG ist an und für sich nichts Neues, doch es geht auch über die Grenzen der eigenen vier Wände hinaus. So können außer Wohnräumen auch Büros, Garagen, Sportplätze und Gärten optimal genutzt werden. Vor allem wenn sie nur saisonal oder für einen bestimmten Zeitraum im Eigengebrauch sind, kann man per Tauschen und Teilen die Lücken füllen. Die Räume werden weiterhin gepflegt und man kann flexibel auf Arbeitsplatz-Veränderungen, Urlaubsphasen und krankheitsbedingte Abwesenheit reagieren. Aktuell tendiert die Entwicklung der Wohnungsmärkte insbesondere in Großstädten zu immer weniger und dafür teureren Angeboten. „Collaborative Living“ könnte da eine interessante Alternative für zumindest kurzfristige Lösungen sein. Wer beispielsweise als Student in eine neue Stadt kommt und vorübergehend Platz braucht, lernt gleichzeitig einige der Bewohner besser kennen und kann sich im nächsten Studienjahr revanchieren. Ähnlich funktioniert es mit Ferienwohnungen und Büroräumen (Coworking-Space), die nur vorübergehend benötigt werden. Zunächst mag sich das nach simpler Vermietung anhören – übrigens auch ein bewährtes Konzept des Teilens – in Verbindung mit modernen Technologien und sozialen Netzwerken wird daraus eine Community, nicht selten ohne Hintergedanken an Profit. Die zwei führenden Anbieter im Couchsurfing sind couchsurfing.com und beWelcome. Einen sehr netten Ratgeber findet man bei rooksack.de.
Der Trend hat sich in den USA längst durchgesetzt und wurde auch hierzulande heiß gepriesen. Weitere vielversprechende Ideen und Projekte auf diesem Gebiet sind beispielsweise das Mietshäuser Syndikat und auch Ansätze von Urban Gardening, worüber wir ja bereits berichtet hatten. Darüber hinaus gibt es sogar ganze Gemeinschaftshöfe und Kulturtauschbörsen.
Kulturtauschbörsen
Unter Kultur lässt sich so Einiges zusammenfassen. Auch Partnerbörsen, Blogs und Soziale Netzwerke gehören in diese Rubrik, ebenso Do-it-Yourself-Anleitungen, Mode-Looks sowie Ratgeber. Ausgetauscht werden meistens Meinungen und Erfahrungen, aber auch nützliche Tipps bzw. Know-How. Das beginnt bei der Restaurant-Empfehlung und reicht bis zur Selbsthilfegruppe. So treffen sich frisch gebackene Mütter im Still-Café, in der Gemeinschaftswerkstatt werden defekte Geräte wieder auf Vordermann gebracht und jenseits von Vereinen und Clubs verabreden sich Fans zum Public Viewing. Das eigentliche Teilen und Tauschen scheint hierbei zunächst nicht an erster Stelle zu stehen, doch gerade in der sozialen Interaktion steckt das Erfolgskonzept solcher Projekte. Sich gegenseitig über gemeinsame Interessen auszutauschen stärkt das Selbstbewusstsein und fördert die eigenen Kompetenzen. Wir sind nicht länger auf engste Verwandte und eine kleine Auswahl an Freunden beschränkt, sondern können gezielt Gleichgesinnte finden, ohne weitere Verpflichtungen einzugehen. Elterntreffs, Lerngruppen, Strick-Kurse und vieles mehr steigern mit ihren nachweislichen Erfolgen immer mehr die Nachfrage. Denn nicht immer erklärt ein Video auf youtube, wie das Leben funktioniert, manchmal muss es eben doch der persönliche Kontakt sein.
Damit das Ganze funktioniert muss sich einer um die Organisation kümmern. So wie wir unseren Blog pflegen, stellen andere Projekte zum Beispiel Räumlichkeiten und Werkzeuge zur Verfügung und gründen eine Selbstreperatur-Werkstatt. In Berlin lädt das Repair Café monatlich dazu ein, kaputte Haushaltsgeräte in gemeinschaftlicher Atmosphäre wieder fit zu machen. Hier helfen sogar Experten ehrenamtlich mit. 2013 wurde das Projekt mit dem Berliner Umweltpreis ausgezeichnet für sein Engagement in puncto Recycling. Ähnliche Institutionen gibt es mittlerweile bundesweit, wenngleich noch spärlich gesät.
Aber die Idee der Ökonomie des Teilens ist definitiv weiter auf dem Vormarsch. Laut einer Umfrage von Pricewaterhouse Cooper planen etwa 50% der Bundesbürger in diesem und nächstem Jahr ein Produkt bzw. eine Leistung zur Share Economy beizutragen, 65% wollen eines nutzen. Die komplette Studie zum Thema gibt es hier.
Zum Abschluss noch eine interessante Reportage, die die Vor- aber auch Nachteile der Sharing Economy beleuchtet…
Bilder:
© ryancr
© Osvald Montero
© Repair Cafe Brussels
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